Das Erfinden der Kindheit                                   

das finden der kindheit
ist das erfinden von welten

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ist das erfinden von ideen

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ist das erfinden von händen

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ist das erfinden von
ihm

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ist das erfinden von welten

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ist das erfinden von kindern                                                      


© Jörgen Habedank 2007                                                                                                                     
                                                                                                                       
Kinder, Kinder!

Ein Text von Prof. Dr. Frank Günter Zehnder zu: Das Kind und die Kunst

Kinder waren schon immer Gegenstand der Kunst. Vom kleinen Amor der Antike über das Christkind und die Putten reicht der Bogen bis zum vornehmen Kinderbildnis des 19. Jahrhunderts und zu den Leidensgesichtern des 20. Jahrhunderts. Jede Zeit sieht das Kind anders, und jede Epoche formuliert einen anderen Bildkanon. Fotografie und Video haben auch das Kinderbild ständig verfügbar gemacht, Werbung und Geschäft verdienen damit. Lange hat es gedauert, bis die mittelalterliche Malerei es schaffte, das Kind nicht als kleinen Erwachsenen, sondern als Kind darzustellen. Kindheit galt lange als Vorstufe und wurde nicht als eigenes Lebensalter begriffen. Diese Sicht - hier die billige gehorsame Arbeitskraft, dort gesellschaftliche Steifheit - wandelte sich erst seit J.-J. Rousseaus Erziehungsroman "Emile" (1762) allmählich. Und doch zählen auch heute noch gerade Kinder weltweit zu den Unterprivilegierten, zu den Ausgenützten, zu den Verlierern. Kind und Kunst - daran können Millionen Kinder in allen Kontinenten kaum denken, für sie zählt alleine das Überleben von Tag zu Tag. "Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder" ist ein geläufiger Spruch, der seinen Weg aus dem biblischen Kontext in den allgemeinen Sprachgebrauch genommen hat. Damit verbindet sich das Verständnis von Unverdorbenheit, Reinheit, Unbefangenheit, Direktheit und spricht diese Tugenden den Erwachsenen zugleich ab. Kinderzeichnungen haben in der Tat etwas sehr Unmittelbares, das über den einfachen, naiven Formenapparat hinaus ganz nahe an der Persönlichkeit des einzelnen Kindes siedelt. Formen, Farben und Details sind mitunter von geradezu bestechender Aussage und vermögen den unverstellten Blick des Kindes in die Welt auch auf Erwachsene zu übertragen. Was lernen wir nicht alles von unseren Kindern, was können wir nicht alles aus den Kinderbildern erfahren, wenn wir sie gewissenhaft und unvoreingenommen lesen, um wie vieles reicher machen uns diese kleinen, schnellen und phantasievollen Bilder! Es wundert gar nicht, dass die „Art brut“, dass viele Künstlerinnen und Künstler der Moderne und der Gegenwart sich auf diese Einfachheit und Direktheit der bildkünstlerischen Kinderaussagen zurückbesinnen, an ihre eigene Biographie anknüpfen und damit ihre aktuelle Formensprache bereichern. Die Kunst ist voll von solchen Beispielen.
Dieses Anerkennen kindlicher Äußerungen und dieses Maßnehmen an Kinderzeichnungen ist es, was Jörgen Habedank mit "kindlicher Kompetenz" bezeichnet. Er geht noch ein Stück weiter, indem er die Kinderzeichnungen, die ja voll von Beobachtungen, Gedanken und Gefühlen stecken, real in seine eigenen Arbeiten übernimmt. So treten die Arbeiten von Kindern in einen Dialog mit dem Schaffen eines Erwachsenen, dessen Malprozess auch von Spontaneität geprägt ist. Da verstecken sich die Kinder einmal unter Farblagen, ein anderes Mal lugen sie aus einem Winkel hervor, dort reihen sie sich aneinander, hier spielen sie, sie sind fröhlich oder traurig. Die Sichtweise der Kinder greift der Maler auf und gibt ihr einen Rahmen aus Farben und Formen, aus künstlerischer Erfindung und persönlicher Erinnerung. Das Fremde und das Eigene verbinden sich ebenso wie das Allgemeine und das Besondere. Vielleicht kann man ja selber so direkt und unbefangen in der Kunst sprechen wie die Kinder.

                                                                                                            © Prof. Dr. Frank Günter Zehnder
                                                                                                            (Rheinisches Landesmuseum, Bonn)
                                                                                                                                                                        
Zehn Gebote für Eltern malender Kinder

1. Halte dein Kind nicht für einen Rembrandt oder Picasso, sondern für ein — Kind.

2. Wenn dein Kind Tisch und Wände bekritzelt, schilt es nicht, sondern fasse dich selbst an der Nase.
    Es tut das nur, weil du ' ihm kein Papier gegeben hast.

3. Frage nicht gleich »Was ist das?« wenn dein Kind dir etwas Gekritzeltes oder Gekleckstes zeigt,
    aus dem du nicht klug wirst. Lasse das Kind erzählen, wenn es will - sonst lass das Bild Bild sein.

4. Mach dem Kind nichts vor. Stoße es nicht mit der Nase auf die Natur.

5. Sorge für Abwechslung in Technik und Material. Papier gibt es überall!!!

6. Verzweifle nicht, wenn dein Kind scheinbar Rückschritte macht. Jeder Fortschritt beginnt mit einer Krise.

7. Freue dich an Fortschritten, auch wenn sie von dem wegführen, was dir gefällt.

8. Sei kein Hypochonder. Kinder vertragen den unvermeidlichen Kitsch der Erwachsenen besser als diese.

9. Lerne warten.

10. Mach dich auf alles gefasst.